Im August des Jahres war ich zum wiederholten Male Teilnehmer einer Expedition durch die Weiten der Mongolei, dieses Mal mit dem Ziel des Altai-Gebirges im Westen des Landes und wie immer weit ab von Touristenpfaden. Lässt man sich als Reisender auf den Rhythmus des Landes und seiner wenigen, aber überaus freundlichen Bewohner ein, relativiert sich vieles im eigenen Leben und in der Wahrnehmung der Welt. Eine ungekannte, positive Energie ergreift langsam, aber stetig von einem Besitz, auch wenn man sie mit der Überwindung vieler, wirklich unzählig vieler unebener Steppenkilometer „bezahlen“ muss. Sie verstärkt sich noch angesichts der Erhabenheit und gleichzeitigen Sanftheit des Altai: Auf einer Passhöhe 3.300 Meter über dem Meeresspiegel erhebt sich vor den Augen fast greifbar eine Kette noch größerer Erhebungen, deren Spitzen von Gletschern bedeckt sind, und die seit Jahrtausenden so dastehen, unberührt von Menschenhand, durch ihre Mächtigkeit den Betrachter in ihren Bann ziehend. Dazu eine Einsamkeit und Stille, wie wir, die fast in jedem Moment von Geräuschen umgeben sind, sie fast nicht mehr aushalten können. Hier fiel mir der Satz ein: Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur. Die Relativität des Seins rückt in den Punkt der Betrachtung. Dieses Gebirge, diese wunderschöne, sprachlos machende Natur ist ohne Menschenhand entstanden und wird auch ohne unser Zutun noch viele Jahre so sein, wenn wir sie nicht vorher zerstören und uns selbst damit auch.
In solchen Momenten neigt man dazu, einmal inne zu halten und über sich selbst und sein Leben nachzudenken. Auch der Jahreswechsel ist ein Zeitpunkt, der viele Menschen zu einem Rückblick und zur Reflexion anhält. Üblicherweise werden zum Jahresende die Medien uns nochmals mit allen aus ihrer Sicht „wichtigen“ Ereignissen des vergangenen Jahres konfrontieren. Alle diese Rückblicke sind aber nach außen gewandt, in die Umwelt. Was aber ist mit Ihnen selbst, mit Ihrem ganz persönlichen Rückblick?
Ihr innerer Jahresrückblick
War es ein Jahr der Freude, der Erkenntnis, des Durchbruchs, des Erfolges? Hatten Sie die Gelegenheit, etwas über sich selbst und andere Menschen zu lernen, den Zugang zu Ihren inneren Quellen zu vertiefen und/oder neue Wege zu finden? Gab es zentrale Ereignisse, die Ihr Leben verändert haben, und wie lief das ab? Konnten sie diese und auch andere Veränderungen in Ihrem Umfeld konstruktiv in Ihr Leben einbauen? Ist es Ihnen gelungen, die körperliche und psychische Gesundheit gut zu erhalten? Was haben Sie für sich und Ihr Leben gelernt?
Oder sind Sie vielleicht froh, mit keinen oder nur geringen Blessuren auch im vergangenen Jahr davon gekommen zu sein? Sind Sie dem Burnout (mal wieder) von der Schippe gesprungen? War es ein weiteres, langweiliges oder gar beschwerliches Jahr, dessen einziger positiver Beitrag zu Ihrem Leben der war, dass Sie der Rente ein Stückchen näher gerückt sind? Haben Sie wieder einmal alle Stolperfallen in Ihrer Organisation umschifft und halten sich jetzt – noch atemlos – am „Geländer des Jahreswechsels“ fest, durchdrungen von der Hoffnung, dass Ihnen die Ausweichmanöver auch im folgenden Jahr gelingen mögen? Wie zeigt sich Ihre wirtschaftliche Lage, und welche Auswirkungen hat das auf Ihre Psyche?
Und: Wie geht es weiter? Wie werden Sie angesichts globaler Unwägbarkeiten mit Ihrem ganz individuellen Bedürfnis nach Sicherheit im nächsten Jahr umgehen? Sind Ihre Ziele realistisch und wertvoll? Was lohnt es, beizubehalten, und wo werden Sie Veränderungen anstreben? Wie werden Sie den Einklang mit sich selbst und den Erhalt Ihrer Gesundheit fördern? Aus welchen Quellen werden Sie sich nähren und Lebensenergie beziehen? Füttern Sie diese Quellen in ausreichendem Maße? Was müssen Sie für all das tun, und was sollten Sie lassen?
Die Beschäftigung mit diesen Fragen ist ein Weg, der uns zu einer gewissen Balance in unserem Leben führt bzw. diese stützt. Wer in Balance ist, ist stark, denn er/sie hat Zugang zu allen seinen/ihren Quellen, wer nicht in Balance ist, verliert Kraft und Energie an die Aufrechterhaltung seines Ungleichgewichtes und hat keinen oder keinen vollen Zugang zu seinen Kraftquellen. Machen wir es deutlich an einem einfachen Beispiel: Wenn jemand eine schwierige private Situation hat, ist die Leistungsfähigkeit im Beruf zumindest eingetrübt. Vieles fällt einem ungleich schwerer als bei einem ausgeglichenen Privatleben, immer wieder geht Energie an die Erinnerung und Beschäftigung mit den privaten Problemen verloren, und die steht dann nicht mehr für berufliche Aktivitäten zur Verfügung.
Nun ist es nicht so, dass sich nicht immer wieder schwierige Situationen (und damit Ungleichgewichte) sowohl im beruflichen wie auch im privaten Umfeld ergeben. In gewisser Weise „schützen“ solche Vorfälle auch vor Langeweile und fördern durch ihre Bewältigung die persönliche Entwicklung und das individuelle Erkenntnis- und Handlungsrepertoire. Die Frage, die sich dann stellt ist: Habe ich genug Energie (-reserven), um die Situation gut und in angemessener Zeit bewältigen zu können? Und woher kommt diese Energie?
Balance als Ressource und Energiefeld
Ein Energiefeld ist die bereits genannte Balance im Leben. Diese Balance bildet einen wichtigen Teil des Fundamentes, auf dem berufliche wie private Aktivitäten aufgebaut werden und das der Person Standfestigkeit verleiht. Wie bei einem Gebäude ist das Fundament oft nicht richtig sichtbar, vor allem nicht die Anzahl und Tiefe der Kellergeschosse. Deshalb macht man sich wenig Gedanken darüber, und vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb viele Menschen nicht oder nur wenig auf die Balance achten. Von der Qualität, von der Substanz dieses Fundamentes hängt die Qualität und Substanz dessen ab, was darüber ist: Das eigene, gelebte Leben. Die Balance im Leben ist kein anhaltender Zustand, immer wieder passiert es, dass wir zeitweise die Balance verlieren. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines Prozesses, der immer wieder das Engagement des Einzelnen für seine/ihre Aufrechterhaltung braucht. Je besser man balanciert ist, desto weniger kommt man ins Ungleichgewicht bzw. desto schneller findet man wieder zurück ins Gleichgewicht.
Jede Lebensbalance sieht anders aus, ist also individuell, hat aber dennoch in unterschiedlicher Intensität einen Zusammenhang mit den nachstehenden Feldern:
Arbeit (ist das, was ich mache, das was ich machen will?): Wie viele Menschen machen einen für sie „sinn-losen“ Job, den sie nicht wollen oder können, nur weil er ein bestimmtes Ansehen hat, viel Geld bringt oder man irgendwo einfach Geld verdienen muss? Wenn der (generelle) positive Aspekt der eigenen Arbeit nicht erkannt wird, wird das Leben schwer, denn Psyche und Gesundheit sind belastet.
Einkommen (wieviel Geld brauche ich wirklich und wofür?): Was ist der Preis meines Gelderwerbs? Brauche ich (nur deshalb) so viel Geld, um die Belastungen, die mit dem Gelderwerb verbunden sind, mit dem Verdienten kompensieren zu können? Umgekehrt: Wenn ich einen anderen, geringer bezahlten Job machen würde, der mir mehr Erfüllung gibt und mich weniger Druck aussetzt, bräuchte ich dann nicht so viel Geld für die Kompensation?
Perspektiven und Ziele (berufliche, private, aktuell und künftig): Wo komme ich her, wo gehe ich hin? Was will ich am Ende meines Lebens erreicht haben?
Gesundheit (Körper und Geist): Wie pflege und unterstütze ich Geist und Körper, die zentralen Komponenten meines Seins?
Philosophie (Wer bin ich, was bin ich, wo sehe ich mich ….): Was ist der Sinn meines Lebens? Was sind die Werte, die ich/nach denen ich leben möchte? Wo sind meine moralischen Grenzen? In welchem größeren Zusammenhang sehe ich mich? Welche Fragen für mein Leben habe ich, und wo bekomme ich die Antworten?
Beziehungen (private, berufliche, soziale): Hier stellt der von mir hochgeschätzte Autor Stephen Covey eine schöne Metapher zur Verfügung. Er spricht vom „Beziehungskonto“, das im Prinzip genauso funktioniert wie ein Girokonto, allerdings ist der Kontokorrent sehr schmal. Auf das Beziehungskonto macht man Einzahlungen wie z.B. gemeinsame Aktivitäten, gegenseitige Hilfe, kleine Geschenke usw. Besteht ein „Guthaben“, so kann man auch Abhebungen machen: Beispielsweise ständige oder wochenlange Dienstreisen, während deren der Partner mit den Alltagsproblemen alleine dasteht, unangenehme Nachrichten, kurzfristige Absagen usw., die dann aufgrund des Guthabens das Verhältnis zwischen den Personen vielleicht belasten, aber nicht zum Zerreißen bringen.
Zufriedenheit (Friede mit mir, meinen Stärken und Entwicklungsfeldern, meinem Leben): Passen meine Ideale/Idealbilder zu mir? Sehe ich auch die positiven Ereignisse in meinem Leben und nicht nur die Katastrophen? Gehe ich gut mit mir um?
Glück (was immer das für den Einzelnen bedeuten mag): Was ist für mich Glück? Was macht mich glücklich?
Balance gibt Halt in der Welt
Die Kalkulierbarkeit der Welt und vor allem des wirtschaftlichen Geschehens nimmt ab, das haben wir alle in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfahren, und die Komplexität steigt. Die relative Gewissheit, mit der man früher Prozesse planen konnte und diese dann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit so eingetreten sind, nimmt ab. Der Spruch: „Das einzig sichere ist der Wandel“ wird zur Alltagserfahrung. Im Wandel ist es wichtig, wachsam zu sein, um die für einen selbst wichtigen Veränderungspunkte zu erkennen und richtig zu interpretieren. Panik jedoch bringt nichts, denn der Wandel schreitet sowieso voran, auch ohne das eigene Zutun. Je weniger sich der Einzelne in seinen Umfeldern zuverlässig verankern kann, um dort Halt und Orientierung zu finden (beispielsweise aufgrund ständiger Veränderungen/Umorganisationen im beruflichen Umfeld, Veränderung der Prioritäten), desto mehr ist er/sie darauf angewiesen, Halt und Gewissheit in der eigenen Person zu finden. Eine wesentliche Quelle der Energie, die jeder für die Bewältigung immer komplexerer Herausforderungen benötigt, ist deshalb die eigene Balance: Wenn auch der Rest der Welt im Ungleichgewicht ist, ich bin im Gleichgewicht, und aus dieser Balance bewältige ich mein Leben und die damit verbundenen Herausforderungen.
Vielleicht ist der Jahreswechsel für Sie eine gute Gelegenheit, einmal inne zu halten und Ihre Gedanken in diese Richtung und damit auf die Qualität der eigenen Balance (und des eigenen Lebens) zu richten. Führen Sie eine Bewertung dessen, was Sie vorfinden, durch, analysieren Sie die positiven Gegebenheiten unter dem Aspekt der Erfolgsstrategie und überlegen Sie bei den anderen, ob und wie sie justiert werden können.
Das Weihnachtsfest steht vor der Tür, und an Weihnachten, so ist der Brauch, macht man sich Geschenke. So möchte ich Ihnen zwei Geschenke machen: Zum einen die Gedanken dieses Briefes, von denen ich hoffe, dass sie Ihnen Anregungen geben, und zum anderen ein persönliches, kostenfreies Gespräch zum Thema Balance, bei dem Ihre diesbezüglichen Fragen bearbeitet werden und Sie weitere Anregungen bekommen können. Wie es eben so ist bei Geschenken – man hofft, dass sich der Beschenkte freut und das Geschenk nutzt. Rufen sie mich also an, um einen Termin zu vereinbaren, wenn Sie vom Geschenk Gebrauch machen wollen.
Zum Abschluss des Briefes und dieses Jahres wünsche ich Ihnen auch für das nächste und alle kommenden Jahre Gesundheit, Erfolg, Balance und viel innere Kraft für die Bewältigung Ihrer Herausforderungen. Ich freue mich, wenn Sie auch im nächsten Jahr die Unternehmerbriefe lesen und Nutzen daraus ziehen können!
Herzliche Grüße
Ihr
Thomas Zimmermann
Literatur (an Weihnachten ist ja mal Zeit zum Lesen):
Covey, Stephen R.: Die 7 Wege zur Effektivität, Offenbach 2007
Frankl, Viktor E.: Trotzdem Ja zum Leben sagen, München 2008 (28)
Gruhl, Monika: Die Strategie der Stehauf-Menschen, Freiburg 2010