Nach dem 15. September 2008 – dem Zusammenbruch von Lehman-Brothers – war auf einmal alles anders. In einer Geschwindigkeit, die man ansonsten nur vom Domino kennt, brach ein über die letzten Jahre fein über den gesamten Globus gesponnenes System zusammen, dessen Folgen fatal waren:
– Ehemals stolze – manche sagen hochmütige – Banken gingen in die Knie und schlüpften unter staatlichen Schutz;
– der Präsident des Automobilverbandes forderte staatliche Hilfen in einem Ton ein, den man ansonsten nur vom Bauernpräsidenten kannte;
– gestandene Volkswirtschaftler müssen eingestehen, dass sie das Ausmaß der Krise zu keinem Zeitpunkt abschätzen konnten und können;
– das Wort „Realwirtschaft“ hielt Einzug in unseren Sprachgebrauch;
– Kanzlerin und Finanzminister traten kreidebleich vor die Kameras, um den Deutschen zu versichern, dass ihre Sparanlagen sicher seien, nachdem beide wenige Tage vorher noch heftig verneint hatten, dass Deutschland vor einer Krise stünde;
– mit Island und Ungarn taumelten zwei Staatswirtschaften wochenlang am Rande des Staatsbankrotts;
– russische Oligarchen, die den Sommer noch auf ihren Yachten über das Mittelmeer schipperten, müssen nun ihre Fußballclubs verkaufen;
– und schließlich warf sich an einem kalten Wintertag des noch jungen Jahres 2009 ein schwäbischer Milliardär vor einen Zug, weil er die Schmach des Niedergangs nicht mehr ertrug und wenigstens für sich Verantwortung übernehmen wollte.
Selten hatte ein neues Jahr einen so schlechten Start wie dieses. Volkswirte haken es bereits ab und setzen (und hoffen) auf 2010. Und die derzeit zur Schau gestellte Tatkraft unserer Politiker wird sich erst dann als richtig oder falsch darstellen, wenn sie längst nicht mehr im Amte sein werden.
Was soll man tun?
Abwarten und darauf hoffen, dass die „große Walze“ uns nicht ganz platt macht? Und dabei die alte Weisheit vergessen, dass mit dem, der nichts macht, etwas gemacht wird?
Schauen wir etwas genauer hin. Steckt in der Krise nicht auch eine Chance?
Krisen hat es in den letzten paar Millionen Jahren immer gegeben, sie gehören quasi zum Leben: „Statt der Überzeugung zu huldigen, dass alles plan- und machbar sei, sollten sich unsere Organisationsmenschen in Wirtschaft und Politik stets vor Augen halten, dass alles scheitern kann. Krisen sind, so viel steht fest, unvermeidlich. … Nichts kann unbegrenzt wachsen.“, so Prof. Dr. Franz M. Wuketits, Wirtschaftstheoritiker aus Wien, im Handelsblatt vom 8. Januar 2009. In vielen Beiträgen zur Krise wurde darauf hingewiesen, dass das chinesische Schriftzeichen für Krise auch das Zeichen für Chance enthält. Nicht minder oft wurde auch auf den (nachgewiesenen) psychologischen Aspekt der Krise aufmerksam gemacht, wonach langes Schlechtreden auch zu verschlechterten Bedingungen führt. Leider funktioniert es umgekehrt ungleich schwerer. Dabei ist unbestritten, dass es nicht nur eine psychologische, sondern auch eine tatsächliche Finanzkrise gibt, ausgelöst durch Gier und Selbstüberschätzung.
Unternehmer und Führungskräften sollten gewohnt sein, in Möglichkeiten zu denken. Zwar ist die Stimmung im Land derzeit verhalten, aber von der sprichwörtlichen „German Angst“ war vor Weihnachten nicht viel zu spüren: Die Einkäufe wurden getätigt, die Partys gefeiert, erstaunlich wenige Menschen beklagten die sicher in der Finanzkrise erlittenen Verluste. Wenn die Zeiten sowieso schlechter werden, können wir wenigstens jetzt noch feiern, oder?
Es ist also eine gute, zumindest noch nicht depressive Stimmung in den Menschen und in den Unternehmen vorhanden. Dies ist ein unschätzbares Pfund! Diese muss genutzt werden, in jedem Fall bevor die allzu bekannte Weinerlichkeit einsetzt.
Hier sind Sie, die Unternehmer und Führungskräfte, gefordert. Jetzt ergeben sich Verschiebungen in den Märkten, die für jedes Unternehmen zu neuen oder erweiterten Geschäftsfeldern führen können. Statt zu warten gilt es jetzt, hochflexibel Chancen zu erkunden und sich rechtzeitig sein Stück des Bärenfelles zu sichern: „In dieser Krise ist es gefährlicher, zu wenig zu unternehmen als zu viel“, so Larry Summers, Wirtschaftsberater von Barack Obama, unlängst im SPIEGEL. Aber erwarten Sie von der Politik keine bzw. nicht zu viel Unterstützung, dort ist man vollauf mit den Vorbereitungen für das „Superwahljahr 2009“ beschäftigt.
Wie also können Sie die Situation nutzen? Zuallererst ist es wichtig, dass Sie nicht mit eingezogenem Kopf und depressivem Blick durch die Reihen gehen, sondern handlungsbereit nach vorne blicken:
Sie sind Vorbild für Ihre MitarbeiterInnen!
Es geht nicht darum, übertriebenen Optimismus zur Schau zu stellen, sondern realistisch auch kleinste Möglichkeiten zu erkennen und zu kommunizieren. Energie, die für Depression und Angst verwendet wird, steht nicht mehr für Kreativität und Gestaltung zur Verfügung. Die Krise zeigt uns weiterhin, dass außer dem Tod nichts sicher ist in unserer Welt, schon gar nicht ein Wirtschaftsgefüge. Unsicherheit ist die Regel und das bezieht sich auch auf die Arbeitsplätze. Nicht einmal Japan, allen voran Toyota, schafft es, die lebenslange Beschäftigungsgarantie einzulösen. Vielleicht klingelt es jetzt auch mal bei den Gewerkschaften, dass Beschäftigungsgarantien kein Thema sein können, sondern u.U. sogar dazu führen, dass Arbeitsplätze wegfallen.
– Reden Sie also mit den Mitarbeitern und weisen sie immer wieder darauf hin, dass jeder für den Arbeitsmarkt bereit sein muss. Dazu zählt natürlich neben einer gewissen Mobilität auch ein am Markt nachgefragter Stand des eigenen Know-how. Jetzt ist Zeit, wenn nicht so viele Aufträge auf dem Tisch liegen, Investitionen in das Wissen vorzunehmen. Das nutzt dem Mitarbeiter UND dem Unternehmen. Kein Geld? Schade, denn Sie wissen ja, dass man Saatkartoffeln setzen und nicht aufessen soll…. Jetzt wird gesät!
– Überprüfen Sie Prozesse und Abläufe in Ihrem Unternehmen im Hinblick auf ihre Sinnhaftigkeit und Effizienz und überlegen Sie gemeinsam mit den Mitarbeitern, was im Sinne der Entkrustung und dem Zugewinn an Dynamik verändert werden kann.
– Werfen Sie auch einen genauen Blick auf das Miteinander – zweifellos gibt es auch hier jede Menge Ansatzpunkte, Zusammenarbeit und Führung zu verbessern und Reibungen zu mindern.
– Wenn Sie es noch nicht getan haben: Beteiligen Sie Ihre MitarbeiterInnen noch mehr an der Gestaltung der Zukunft, holen Sie sie entsprechend deren Potenziale ins Boot der Gestaltung und damit ein wenig auch in die Verantwortung. Es ist eine Mär, dass nur oben gedacht und nur unten gemacht wird. Die meisten Unternehmen verzichten auf jede Menge Know-how, welches im Hause ist, weil sie es nicht abfragen oder nur das auswählen, was ins eigene Weltbild passt. Sie verzichten auf eine Leistung, die sie schon bezahlt haben!
Die Zeiten sind anspruchsvoll, ohne Zweifel. Für jedes Unternehmen gibt es aber eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten, setzt man den Focus auf Möglichkeiten und nicht auf Unmöglichkeiten. Hierzu noch ein Literaturtipp, bereits aus dem Jahre 2005 und heute so brandaktuell wie niemals zuvor: Kim/Mauborgne, Der Blaue Ozean als Strategie, München 2005. „Es ist noch immer gut gegangen“ sagt der Kölner Volksmund – aber dazu tun muss man schon etwas.
Ich wünsche Ihnen in der Gestaltung Ihrer Unternehmenszukunft eine glückliche Hand!
synthesis steht Ihnen für den Gedankenaustausch gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Ihr
Thomas Zimmermann